Sonntag, 11. März 2012

Dort kämpfen, wo das Leben ist



Clara Zetkin oder: Dort kämpfen, wo das Leben ist!

Clara Zetkin (1857 bis 1933), vor 1914 die »grande dame« der deutschen Sozialdemokratie, nach 1918 umstrittene und streitbare Persönlichkeit des deutschen Kommunismus, ist immer noch unbequem!

Diese Frau war Opposition per se: Frauenrechtlerin, revolutionäre Sozialistin, Initiatorin des Internationalen Frauentags, Kriegsgegnerin, Kommunistin in der Tradition Rosa Luxemburgs, 1932 von den Nazis attackierte Alterspräsidentin des Deutschen Reichstags.


Der anhaltende Streit um die Bedeutung Clara Zetkins war für Florence Hervé Anlass, sich dieser Persönlichkeit erneut zu widmen.

Nachdem Tânia Puschnerat in ihrer 2003 veröffentlichten Monographie Clara Zetkin. Bürgerlichkeit und Marxismus das Leben und Wirken Zetkinsinsbesondere von konservativen, opportunistischen und bürgerlichen Handlungsmotiven bestimmt sieht, betont Hervé die revolutionären und unzeitgemäßen Ideen Zetkins.

Innerhalb der SPD hatte Clara Zetkin eine führende Rolle inne und war als Mitglied der Kontrollkommission von 1909 bis 1917 Teil des Parteivorstands. Sie zählte zu denjenigen, die sich zu Beginn des Ersten Weltkriegs der Mehrheitsentscheidung der Partei zur Zustimmung der Kriegskredite und zur Burgfriedenspolitik widersetzten und sich damit offen gegen die Partei stellten.
Als Sekretärin des Internationalen Frauensekretariats versammelte sie – gegen das Verbot des Parteivorstandes – im März 1915 Frauen der am Krieg beteiligten Länder zu einer sozialistischen Frauenkonferenz in Bern.
Als Clara Zetkin anschließend in Deutschland Flugblätter mit den Forderungen der Frauenkonferenz zur Beendigung des Krieges verteilen ließ, wurde sie verhaftet und des Landesverrats angeklagt, jedoch aufgrund ungeheuren Protests schließlich wieder aus der Haft entlassen.

Schließlich gehörte Clara Zetkin auch zu den Frauen, die ab 1919 erstmals als Abgeordnete in deutsche Parlamente einziehen konnten: 1919/20 war sie Mitglied der Verfassungsgebenden Landesversammlung Württembergs und hielt dort die erste Rede, die je von einer Frau in einem deutschen Parlament gehalten wurde, und von 1920 bis1933 gehörte sie dem Deutschen Reichstag an.

3 Kommentare:

  1. Frauenrechtlerin, revolutionäre Sozialistin, Initiatorin des Internationalen Frauentags, Kriegsgegnerin, Kommunistin in der Tradition Luxemburgs, von den Nazis attackierte Alterspräsidentin des Deutschen Reichstags…
    Clara Zetkin war und ist mit ihrem Leben und Werk immer noch unbequem. Es lohnt sich, ihre Thesen zu Frauenerwerbstätigkeit, Bildung, autonomen Frauenstrukturen, zu bürgerlicher und proletarischer Frauenbewegung, Frauenwahlrecht und Selbstbestimmung, zu Krieg und Faschismus neu zu entdecken und im Hinblick auf aktuelle Fragestellungen zu diskutieren.

    Clara Zetkin – Vorkämpferin der Rechte der Frau – innerhalb des sozialistischen Kampfes um Emanzipation aller. Also Vertreterin einer Richtung, die sich in schärfstem Gegensatz zu der Alice Schwarzers befindet, in welcher umstandslos Frau-Sein als Wert an sich gilt – bis hin zu bedenkenlosem Hurra für eine Thatcher.

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  2. Wie recht Zetkin doch hatte !!!

    "Faschismus ist keineswegs die Rache der Bourgeoisie dafür, dass das Proletariat sich kämpfend erhob [wie nach der Commune von Paris 1871 oder Ungarn 1919, Anm. fg].

    Historisch, objektiv betrachtet, kommt der Faschismus vielmehr als Strafe, weil das Proletariat nicht die Revolution, die in Russland eingeleitet worden ist, weitergeführt und weitergetrieben hat. Und der Träger des Faschismus ist nicht eine kleine Kaste, sondern es sind breite soziale Schichten, große Massen, die selbst bis in das Proletariat hineinreichen.

    Über diese wesentlichen Unterschiede müssen wir uns klar sein, wenn wir mit dem Faschismus fertig werden wollen. Wir werden ihn nicht auf militärischem Weg allein überwinden – um diesen Ausdruck zu gebrauchen –, wir müssen ihn auch politisch und ideologisch niederringen.” (S. 86)

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  3. Lange vor Thalheimer (1927) stellte sie unmittelbar nach Mussolinis “Marsch auf Rom” vor dem Zentralkomitee eine Theorie des Faschismus auf, in welcher sie genau auf die Notwendigkeit einer Massenbasis der damals neuen Bewegung hinwies - im Gegensatz zu allen Polizeiregimes und zu allen Militärdiktaturen, zu denen sie zum Beispiel auch die Gegenrevolution Horthys in Ungarn rechnete.

    Der Bericht stammt vom 20. Juni 1923. Wichtig, sich die Klarsicht Zetkins zu vergegenwärtigen - angesichts der Tatsache, dass nach dem “Fake” des Marsches auf Rom der italienische Faschismus keineswegs zu diesem Zeitpunkt schon seine Vollform erreicht hatte.

    “FAKE” des Marsches: Die faschistischen Massen in Uniform waren zwar nach Rom geschickt worden, Mussolini fuhr ihnen im Schlafwagen voraus und nach. Es hatten vorher Abmachungen mit Militär, Königshaus und Teilen der Kirche stattgefunden, so dass von “Rebellion” und “Sturm auf den Quirinal” keine Rede sein kann. Dementsprechend war im Parlament bis 1927 – Matteotti-Attentat – durchaus Opposition vorhanden mit immer noch in Anspruch zu nehmenden politischen Möglichkeiten.

    Dass Mussolini aber dieses Spektakel aufführen konnte, musste es die Massen in Wut, in Empörung, in Verzweiflung geben, die er ins Feld führen konnte. Von daher der definitorische Einleitungssatz:

    "Faschismus ist keineswegs die Rache der Bourgeoisie dafür, dass das Proletariat sich kämpfend erhob [wie nach der Commune von Paris 1871 oder Ungarn 1919, Anm. fg]. Historisch, objektiv betrachtet, kommt der Faschismus vielmehr als Strafe, weil das Proletariat nicht die Revolution, die in Russland eingeleitet worden ist, weitergeführt und weitergetrieben hat. Und der Träger des Faschismus ist nicht eine kleine Kaste, sondern es sind breite soziale Schichten, große Massen, die selbst bis in das Proletariat hineinreichen. Über diese wesentlichen Unterschiede müssen wir uns klar sein, wenn wir mit dem Faschismus fertig werden wollen. Wir werden ihn nicht auf militärischem Weg allein überwinden – um diesen Ausdruck zu gebrauchen –, wir müssen ihn auch politisch und ideologisch niederringen.” (S. 86)

    Zetkin wendet sich dann vor allem gegen die Faschismus-Deutung der diversen Revisionisten, die unisono den Faschismus – wie heute Nolte – so erklären, dass es zunächst den kommunistischen Terror in Russland gegeben hätte – die Bewegung Mussolinis wäre dann lediglich als eine Art Gegenwehr und Reaktion darauf zu verstehen.

    Zweite Wurzel der Massenbasis des Faschismus:
    Die Enttäuschung über die reformistischen Parteien, die im Krieg eine gewisse massenhafte Zustimmung gefunden hatten – eben als solche, die dem Krieg ein Ende zu setzen versprachen. Nach dem Krieg war dann nichts als die alte Leier. Wieder König, wieder Fabrikherrenschaft im Norden, wieder Großgrundbesitz im Süden.
    Auslösendes Moment:
    Ein von den Gewerkschaften lau unterstützter Generalstreik mit Fabrikbesetzungen, die elend von Polizei und faschistischen Hilfstruppen zurückgeschlagen worden waren. Von daher der massenhaft bittere Blick auf die “Loser”.

    Zetkins Analyse der Mitgliedschaft der Faschisten ist dann folgerichtig. Es ist ein verlorener Haufen aus abgesunkenen Mittelständlern, alten Haudegen des Krieges, aber auch immer proletarisch gesonnener Leute, die jetzt den revolutionären Sprüchen der Faschos glauben, nachdem es mit den Sozen nicht geklappt hat.

    Rezept der Gegenwehr:
    Es müsste den Enttäuschten klar gemacht werden, wo die wirklich revolutionäre Potenz sitzt. Der Rest der Parteigänger des Faschismus – die bedrohten Kleinbürger – müsste “neutralisiert” werden. “Neutralisiert” meint damit wohl Hinweis auf die vollkommene Widersprüchlichkeit von Mussolinis Versprechungen. Einerseits Kirchenfeindschaft – im Bürgertum populär – andererseits allerlei Zugeständnisse (Das Konkordat von 1929, damals noch unvorstellbar, bestätigt nachträglich Zetkins Analyse). Oder Versprechen an die Frauen – volles Wahlrecht. Nachher etwas sehr Durchwachsenes mit einem Wahlrecht gerade für Hausbesitzerinnen und entsprechend gestellte Damen.)

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